Der Audi Quattro Allradantrieb hat eine lange Tradition. „Haben Sie etwas gemerkt?“ Wenn wir von einer Testtour zurück-kommen, fragen uns die Ingenieure der Hersteller oft nach unseren Eindrücken. Aber so hören wir diese Frage selten. „Nichts“, antworten wir. Unsere Antwort löste bei den Herren von Audi ein zufriedenes Lächeln aus. Genau das hatten sie gehofft, denn ihr neuer Antrieb mit dem Beinamen „Ultra“ soll genau die gewohnten Erwartungen an einen Allradantrieb à la Quattro erfüllen, aber bei deutlich weniger Verbrauch. Das erreichen sie mit permanent verfügbarem statt permanentem Allradantrieb.
Die Entwickler von Audi sprachen von einem Minderverbrauch von 0,3 Litern je 100 km in ihrer Fahrversuchen. In einer Zeit, da alle um den niedrigen Flottenverbrauch kämpfen, wäre das ein nennenswerter Beitrag. Die Ingolstädter schaffen das, indem sie die Hinterachse abklemmen und den Quattro zum Fronttriebler reduzieren. Die Idee ist nicht neu. Völlig neu ist aber die Architektur, mit der sie das erreichen.
Sie zeigten es am Beispiel eines Audi A4 2.0 TFSI, also einer Limousine mit längs eingebautem Motor und in diesem Fall mit Doppelkupplungsgetriebe. Auf dessen Achse sitzt beim Quattro-Ultra-Antrieb nicht die heute übliche Torsen-Technik, sondern eine Lamellenkupplung, mit der die Antriebswelle komplett abgekuppelt werden kann. Gleichzeitig gibt eine Klauenkupplung den Hinterradantrieb frei. Die Teile werden also nicht mehr mitgeschleppt und dabei durchs Öl gezerrt. Der positive Effekt auf den Verbrauch entsteht dabei weniger wegen der Massen, die nicht mehr sinnlos bewegt werden müssen; der Spareffekt entsteht mit dem Abhängen der Komponenten über geringere Reibung. Wird der Allradantrieb benötigt, schließt die Lamellenkupplung, bringt die Welle auf Touren und lässt die Klauenkupplung zugreifen. Der komplette Vorgang benötigt 250 Millisekunden.
Was so einfach klingt, brauchte fünf Jahre Entwicklungszeit. Das Geheimnis steckt anderem in der Technik, mit der die Lamellenkupplung gesteuert wird, aber auch in dem Verfahren, mit dem die Klauenkupplung exakt zum richtigen Zeitpunkt zupackt. Die Klauen werden von einer vorgespannten Feder in Position geschossen, und die feine Regelung der Lamellenkupplung übernimmt eine Kombination aus elektrischem Aktuator und geschickter mechanischer Steuerung. Die Kommandos dafür kommen von einem Rechner, dessen Software auf einer speziellen Quattro-Fahrstrategie beruht und bei Audi entwickelt wurde. Die Hardware wird beim Zulieferer Magna gebaut.
Wir fuhren mit dem Vorserienfahrzeug die alte Brenner-Straße rauf und runter und konnten auf einem Extra-Bildschirm verfolgen, wann der Allradantrieb in die Pause geschickt wurde – zum Beispiel beim Gleiten, nicht aber in den engen Kurven, auch nicht im Schubbetrieb den Berg hinab. Die Querbeschleunigung signalisiert, der Allradantrieb könnte möglicherweise gebraucht werden. Da greifen Lamellen und Klauern lieber zu. Beim Beschleunigen treten die beiden sowie so an.
Wenn es uns der Audi-Entwickler auf dem Beifahrersitz auf seinem Bildschirm nicht gezeigt hätte, wann der Allrad zu- oder abschaltete, hätten wir nichts bemerkt. Am Ende der Testtour nahmen wir erstaunt zur Kenntnis, dass wir fast die Hälfte der Zeit mit Fronantrieb gefahren waren und dennoch in Kurven wie beim Beschleunigen die volle Traktion zur Verfügung hatten.
Dabei lernte das System überraschend schnell die Fahrweise des Menschen am Steuer kennen und berücksichtigen. Wer’s gern dynamisch hält, der bekommt mehr und früher den Allradantrieb an die Seite gestellt. Wer gesitteter fährt und aufs Cruisen aus ist, der spart Kraftstoff nicht nur wegen seines vorsichtigen Umgangs mit dem Fahrpedal. Bei ihm wartet die Hinterachse eben länger auf den nächsten Einsatz. Aber wie immer – der Quattro Ultra schläft nicht. Erhält sich nur so lange zurück, bis die vielen Sensoren des Audi ahnen, er könnte gebraucht werden. Dann ist er da. „Wer einen Quattro will, bekommt auch mit dem Ultra-Allrad seinen Quattro“, sagte unser Beifahrer. Nur zu niedrigeren Betriebskosten.
Audi wird das System in dem Stückzahlmodell Audi A4 2.0 TFSI ab Spätsommer für die handgeschalteten und die Automatikversionen einführen. Andere Modelle werden folgen, auch Sechszylinder. Deren Fahrer werden sich dann vielleicht auch fragen lassen müssen: „Haben Sie etwas gemerkt?“ ampnet/Sm P.Schwerdtmann
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